Für das Bedingungslose Grundeinkommen spricht vieles. Auch (Achtung: Provokation!) der Unternehmer Prof. Götz Werner. / Ein Artikel von Christian Krall, Oktober 2006
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Es dürfte sich herum gesprochen haben: Immer mehr Waren werden ohne nennenswerten menschlichen Arbeitsaufwand erzeugt. Die Programmierung und Wartung von Computern und Robotern genügt. Und die Grenzen sind lang nicht erreicht. Im Dienstleistungsbereich geht die Automatisierung gerade erst los.
Das Denken hinkt nach
Aber die Freude über den Fortschritt an Effizienz ist begrenzt. Warum? Weil der Zugang zu Einkommen nicht mehr zur wirtschaftlichen Realität passt. Weil nach wie vor gilt: „Nur wer arbeitet, soll sich was kaufen können. Auch wenn die Herstellung der Waren mit immer weniger Arbeitskräften auskommt.“
Für manche mag Grundsatztreue ein Wert sein. Tausende Arbeitslose, Prekarisierte oder Ein-Personen-Unternehmen, die ihr Leben an der Grenze der Armut und Mutlosigkeit dahin fristen, hätten von einem Umdenkprozess mehr. (Die Hoffnung auf Vollbeschäftigung durch Wirtschaftswachstum ist selbst mit einer grünen Energiewende eine Illusion. Am 7. Oktober im Standard: „Wifo und IHS: Konjunkturaufschwung jetzt „robust“, Arbeitslosenquote bleibt hoch“.)
Geld soll nicht eingesetzt werden, um Leistungen zu bewerten, sondern um sie zu ermöglichen.
Sagen wir 1000 Euro im Monat. Für jede und jeden ohne Abzüge auf die Hand; der Beitrag zur Krankenversicherung ist schon bezahlt. Gestaffelt von der Geburt, beginnend mit 400 Euro, bis mit 16, 18 der volle Bezug erreicht wird. Das ganze Leben hindurch. Pensionen erübrigen sich, Arbeitslosenversicherung auch. Und du machst mit dem Geld, was du willst. Keine Einschränkung beim Dazuverdienen, kein Verwendungsnachweis.
Die Idee ist nicht neu. Und es gibt viele Argumentationswege dorthin. Von der Frage des gerechten Lohnes (Manfred Füllsack), über die Behauptung, dass der gesamte gesellschaftliche Zusammenhang ein produktiver ist (Karl Reiter), bis zur Erkenntnis: was produziert werden kann, ist auch finanzierbar (Nell-Breuning). Aber es geht auch ganz einfach: 1. Das Bedingungslose Grundeinkommen für alle bringt eine Menge von Vorteilen für die/den EinzelneN und für die Gesellschaft. 2. Das Bedingungslose Grundeinkommen für alle ist möglich. 3. Worauf warten wir noch?! Oder frei nach Götz Werner: Erster Umsetzungsschritt – das Denken befreien!
Kein Beziehungselend wegen finanzieller Abhängigkeit mehr. Keine Krankheiten und Depressionen wegen des falschen Berufs. Keine Burnouts wegen Dauerstress nach dem Schritt in die Selbstständigkeit. Und ins Positive gewandt: Welche Projekte (gesellschaftlich und persönlich) sich starten lassen, wenn sie nicht unter dem Zwang stehen, gewinnbringend zu sein!
Wer soll das bezahlen?
Bezahlen sollen es die Unternehmen, aber so, dass ihnen gar nichts anderes bleibt, als begeistert zu sein. Das ist, drastisch verkürzt, Götz Werners Finanzierungsmodell. Abschaffung der Einkommenssteuer (sowohl Gewinn- als auch Lohnsteuer). Senkung der Löhne um die Höhe des vom Staat ausgezahlten Grundeinkommens. Aufbringung der Staatseinnahmen über eine stärker gestaffelte und bis zu 48 Prozent reichende Mehrwertsteuer.
Wer Einkommenssteuern durch Mehrwertsteuern ersetzt, serviert eine harte Nuss und tut gut daran, einige Begründungen anzuführen. Was Götz Werner auch tut:
1. Steuern, die tatsächlich von Unternehmen gezahlt werden, sind immer in den Preisen einkalkuliert. Das passiert nicht erst, wenn alles über eine (erhöhte) Mehrwertbesteuerung läuft, das ist jetzt schon Realität. Was sich ändert, ist, dass der Staat sich auch dort Einnahmen holt, wo ihm jetzt Lohnsteuerabgaben und Sozialversicherungsbeiträge in hohem Maße entgehen: Von Produkten mit hohem Automatisierungsgrad. Von den Importen. Und von den Champions des Gewinnsteuer schonenden Bilanzierens. Denn die Zahl der Unternehmen, die im vollen Ausmaß Gewinnsteuern zahlen, geht – speziell bei den Großen – immer weiter zurück. Und es gibt als Ausgleich keine andere Einnahmequelle dafür. Gerade Österreich hat eine unrühmliche Vorreiterrolle dabei. (Siehe das aktualisierte Leseheft 1 der Armutskonferenz.)
2. Unsere Wirtschaft beruht auf Arbeitsteilung. Die Menschen leben nicht von ihren Einkommen, sondern von den Leistungen anderer. Wirtschaften heißt: Füreinander leisten. Folglich soll nicht dort besteuernd eingegriffen werden, wo Leistung für andere erbracht wird, sondern dort, wo Leistung konsumiert wird. Wer solche Leistungen „im Großen“ entnimmt (teure Luxusgüter zum Beispiel, aber auch nicht erneuerbare Ressourcen in industriellen Mengen), soll einen entsprechend höheren Mehrwertsteuersatz zahlen. Galt bisher „Im Dutzend billiger“, werden über eine progressive Mehrwertsteuer Breitenkonsum und Nachhaltigkeit unterstützt.
3. Gewinne, die unbesteuert bleiben, verschwinden nicht. Entweder werden sie konsumiert, wobei ein Teil als Konsumsteuer an den Staat fließt. Oder sie werden in irgendeiner Form investiert – das heißt: sie ermöglichen wieder, dass Leistung erbracht wird, die jemand braucht, wobei wieder der Staat mitverdient.
Vieles wird besser (eine Auswahl)
Es gibt einen riesigen Bedarf an Leistungen im sozialen, pflegerischen und pädagogischen Bereich. Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen können auf einmal Leistungen angeboten werden (die keinen Gewinn bringen müssen), schlicht und einfach deshalb: weil sich Menschen Zeit nehmen können, ohne sich fragen zu müssen, wovon sie leben sollen, wenn sie das und nicht etwas anderes tun.
Erstmals gibt es einen echten Arbeits-Markt. Weil ich meine Arbeitskraft nicht verkaufen muss, wenn mir die Bedingungen nicht gefallen. In den Betrieben haben die MitarbeiterInnen deshalb ein selbstverständliches Mitspracherecht. Ohne Respekt und Anerkennung geht es nicht mehr.
Ein Bedingungsloses Grundeinkommen wertet die Peripherie auf. Der Druck, in die Zentren zu pendeln, fällt weg. Gerade in benachteiligten Regionen sind, was die Lebenshaltung betrifft, 1000 Euro mehr wert.
Mit einer generellen Umstellung auf Konsumsteuern hört zwischen den Staaten das Steuer- und Sozialdumping auf. Weil es am Weltmarkt keinen Unterschied macht, ob eine Ware aus einem Land mit niedriger oder hoher Staatsquote kommt.
Wer soll das wollen?
Das ist kein Scherz. Die Argumente des Nicht-Wollens sind breit gestreut. 1.) „Wer wird dann noch arbeiten wollen?!“ Gegenfrage als Antwort: Was würden denn Sie tun?! Unattraktive Tätigkeiten müsste man automatisieren oder höher bezahlen. 2.) „Die Menschen sind überfordert davon.“ Ein neuer Bildungs-Auftrag würde sich der Gesellschaft schon stellen. Wer will, könnte aber auch weiter tun wie bisher. Einzig, sich sagen zu müssen (oder zu können) „was bleibt mir denn anderes übrig“, fiele dann weg. 3.) „Da fehlt mir die kapitalismus-kritische Dimension.“ Stimmt aber nicht – siehe Wegfall des Zwangs zum Profit, Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt, Gleichverteilung der Sicherheit, Abschaffung der Knappheit, Maschinensteuereffekt …
Was es jetzt braucht …
Vor allem keine Prügel! Weder der Idee vor die Füße noch ihren AnhängerInnen auf den Kopf. Sondern phantasievolles Nachdenken und Vertiefung in die Details. Das Lösen möglicher Widersprüche ist immer eine Frage der Motivation.
OÖ. Planet, Oktober 2006, Christian Krall
Manfred Füllsack: Leben ohne Arbeit? ISBN 3-930064-07-3
Götz Werner: www.unternimm-die-zukunft.de
Allgemein: www.grundeinkommen.at