Regelmäßig beklagt die Wirtschaftskammer immer neue Faktoren, die für die angeblich zu vielen Krankenstände verantwortlich sind. Mal ist es unser Hang zur Drückebergerei, dann die Willfährigkeit der ÄrztInnen. Und sonst war da nichts?
Druck, Stress, Sorgen – zu hohes Arbeitspensum, schlechte Arbeitsbedingungen, zu wenig Lohn, zu wenig Entgegenkommen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Angst um den Arbeitsplatz und so fort. Das alles belastet, das alles macht krank. Aber das sind „nur“ die ganz harten Faktoren.
Wir ArbeitnehmerInnen sind keine Maschinen (wir können nämlich auch wesentlich mehr). Menschen wollen als solche wahrgenommen werden – auch in der Arbeit; und nicht nur als Kostenfaktoren. Arbeit darf nicht nur nicht krank machen, sie sollte im Gegenteil eine der Grundlagen unserer Gesundheit sein. Welche Zusammenhänge (Wertschätzung, Unterstützung, Entlohnung) dabei eine Rolle spielen, wäre an sich bekannt:
Die Burn-out-Experten Unger/Kleinschmidt verweisen auf Studien, nach denen „Beschäftigte, die sich nicht ausreichend entlohnt und wertgeschätzt fühlen, im Vergleich zu anderen Beschäftigten ein doppelt so hohes Risiko haben, einen Herzinfarkt zu erleiden oder an einer Depression zu erkranken.“ (Demand Control Modell von Karasek/Theorell)
- Die traurige Realität zeigt die deutsche INQUA-Studie 2006, in der bezogen auf Unterstützung durch Vorgesetzte, Qualifizierungsmöglichkeiten, Einflussmöglichkeiten, Überforderung/Unterforderung und faire Bezahlung: 68 Prozent der Arbeitsplätze als „schlechte Arbeit“ beurteilt wurden. 61 Prozent der Befragten bekamen nie oder nur selten Anerkennung für ihre Arbeit.
- Trotzdem waren 72 Prozent stolz auf ihren Job und arbeiteten 64 Prozent mit Freude. Die Schlussfolgerung: „Wer mit Freude seine Aufgabe erledigt, der ärgert sich ganz besonders, wenn der Vorgesetzte vor allem Ärgernis und Bremse ist, statt die Tätigkeiten seiner Mitarbeiter anzuerkennen, sie zu fördern und die Abteilung positiv und erfolgreich nach außen zu vertreten. Wer in diesem Spannungsfeld arbeitet, ist fast automatisch irritiert und gestresst – und kann auf Dauer krank werden.“ (Hans Peter Unger / Carola Kleinschmidt: Bevor der Job krank macht, München 2006)
Und wenn jemand tatsächlich einen Krankenstand nur vortäuschen sollte, so befindet sich diese Person doch unleugbar in einem Zustand hochgradiger Demotivation. Und dann krankt es eben wo anders, und zwar im Betrieb. Denn hinter jedem demotivierten Mitarbeiter steht eine Führungskraft oder eine ganze Unternehmenskultur, die diesen Mitarbeiter aktiv demotiviert hat! Durch einen dramatischen Mangel bei den Grundvoraussetzungen einer qualitätsorientierten MitarbeiterInnen-Führung:
- Wertschätzung
- Anerkennung
- Kommunikation
- Einbindung in Entscheidungen
- Wahrnehmung und Förderung der Fähigkeiten
- Ernstnahme und Unterstützung des Engagements der MitarbeiterInnen
- Zuhören
- Vertrauen