Keinen Betriebsrat – oder den falschen?

Herausforderung Betriebsrat.

Das Vorhandensein eines Betriebsrates erleichtert die Durchsetzung arbeitsrechtlicher Bestimmungen, die leider keine Selbstverständlichkeit ist.

Zahlreiche Möglichkeiten, die Bedingungen für MitarbeiterInnen zu verbessern, bestehen überhaupt nur für Betriebe, in denen es einen Betriebsrat gibt.   

Aber nicht alle Betriebsräte nehmen diese Rechte umfassend wahr und sind sich der dadurch vergebenen Chancen für ihre KollegInnen bewusst.

Von Willi Pöll, in memoriam.

Der Betriebsrat ist das Organ der gesetzliche Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen eines Betriebs. Doch welche Rechte hat der Betriebsrat eigentlich? Und was macht den Unterschied für die ArbeitnehmerInnen aus?

Grundlage für die Arbeit des Betriebsrates (BR) ist das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) – und hier insbesondere die Betriebsverfassung – aus dem Jahr 1973. Der Betriebsrat (BR) ist ein von der Belegschaft gewähltes Kollegialorgan, bestehend aus einzelnen Mitgliedern, den BetriebsrätInnen.  Der BR vertritt die ArbeitnehmerInnen im Sinne seiner Interventions-, Anhörungs- und Beratungsrechte.

 

Allgemeine Befugnisse des Betriebsrats

Der Betriebsrat sorgt dafür, dass arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen  (Gesetze, Kollektivverträge, Betriebsvereinbarungen) im Betrieb eingehalten werden und die Lohn- und Gehaltsabrechnungen der MitarbeiterInnen korrekt sind. Damit der BR das wirkungsvoll tun kann, hat er das Recht, in die erforderlichen betrieblichen Unterlagen (z.B. Lohn- und Arbeitszeitaufzeichnungen) Einsicht zu nehmen, sie zu überprüfen, die Auszahlung zu kontrollieren und falls nötig – und das ist gar nicht so selten – zu beeinspruchen.

Weiters überprüft der BR die Einhaltung sozialversicherungsrechtlicher Regelungen und des ArbeitnehmerInnschutzes – etwa dass Arbeitsplätze nicht die Gesundheit der Beschäftigten gefährden. Im Sinne eines Interventionsrecht ist der BR berechtigt, Missstände im Betrieb bei zuständigen Stellen außerhalb  (Arbeitsinspektorat, Sozialversicherung, Arbeiterkammer, Gewerkschaft etc.) aufzuzeigen und  Maßnahmen zur Beseitigung der Mängel zu verlangen.

Mit diesem Interventionsrecht verbunden ist eine Anhörungspflicht des Betriebsinhabers (BI). Der BR ist berechtigt, Vorschläge zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen, der Ausbildung, der menschengerechten Arbeitsgestaltung einzubringen und gegebenenfalls  entsprechende Betriebsvereinbarungen darüber abzuschließen.

 

Mitwirkung  in sozialen Angelegenheiten

Der Betriebsrat wirkt in Angelegenheiten der betrieblichen Berufsausbildung und Schulung mit. Er kann Vorschläge unterbreiten – und der/die BetriebsinhaberIn ist verpflichtet, über diese zu beraten. Der BR ist berechtigt, an der Planung und Durchführung betrieblicher Berufsausbildung und Schulung mitzuwirken. Art und Umfang der Mitbestimmung können in einer Betriebsvereinbarung (BV) geregelt werden.

 

Betriebsvereinbarungen

Betriebsvereinbarungen sind überhaupt zentrale Elemente betrieblicher Mitbestimmung – allerdings nur in Betrieben, in denen es einen Betriebsrat gibt. Wo kein Betriebsrat, dort keine Betriebsvereinbarung!

Betriebsvereinbarungen sind schriftliche Verträge zwischen der Belegschaft – vertreten durch den BR – und dem Betriebsinhaber, die eine “Rechtswirkung” entfalten. Betriebsvereinbarungen regeln vor allem:

  • Vorschriften, die das Verhalten im Betrieb betreffen,
  • die generelle Festlegung täglicher Arbeitszeiten und Arbeitspausen,
  • die Einführung von Kontrollmaßnahmen sowie technischen und personenbezogenen Datenverarbeitungssystemen,
  • die Auswahl der Mitarbeitervorsorgekasse (Abfertigung neu),
  • Betriebspensionen,
  • Frauenförderpläne,
  • familienfreundliche Arbeitszeiten
  • und Sozialpläne.

Manche Vereinbarungen werden freiwillig geschlossen, manche kann der Betriebsrat erzwingen. Betriebsvereinbarungen sind wesentliche Instrumente zur Verbesserung und Humanisierung der Arbeitsbedingungen, über die Mindeststandards im Arbeitsrecht und Kollektivverträgen hinaus.

 

Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Der Inhaber muss den BR über die wirtschaftliche Lage des Betriebs informieren und auf Verlangen des BR darüber beraten (über Art und Umfang der Erzeugung bzw. Dienstleistungserbringung, über  Investitions- und Rationalisierungvorhaben etc.). Dazu sind die erforderlichen Unterlagen dem BR zur Verfügung zu stellen.

In Betrieben ohne Betriebsrat gibt es keine derartigen Informationspflichten! MitarbeiterInnen wissen daher oft  nicht, wie es wirtschaftlich um den Betrieb steht, ob ihr Job auf absehbare Zeit sicher ist, oder nicht. Auch im Falle von Betriebsänderungen – Schließungen, Firmenzusammenschlüssen – hat der Betriebsrat Informations- und Mitwirkungsrechte, um nachteilige Folgen für die Belegschaft abzufedern (z.B. über Sozialpläne, wie höhere Abfertigungen, vom Betrieb finanzierte Umschulungsmaßnahmen etc.) oder bestenfalls abzuwenden.

Unterstützung und Beratung holt er sich dabei von Gewerkschaften und Arbeiterkammern. In Aktiengesellschaften, oder aufsichtsratspflichtigen GsmbHs entsendet der BR ein Drittel der Aufsichtratsmitglieder, die rechtlich den Mitgliedern der Eigentümerseite praktisch gleichgestellt sind.

 

Mitwirkung in personellen Angelegenheiten

BetriebsrätInnen sind vor der Einstellung neuer MitarbeiterInnen zu verständigen. Auf das Verlangen des BR hin ist eine besondere Beratung durchzuführen. Durch diese Regelung ist es den BetriebsrätInnen von Anfang an möglich, günstige Arbeitsbedingungen zu schaffen. In Betrieben, in denen ArbeitnehmerInnen von BetriebsrätInnen vertreten werden, können dadurch faire Arbeitsverträge sicher gestellt werden.

Im Falle von Kündigungen muss der Arbeitgeber  den BR spätestens fünf Tage vor jeder beabsichtigten Kündigung verständigen, sonst wird diese unwirksam. Hier kann der BR versuchen, mit dem Arbeitgeber bessere Konditionen – etwa eine höhere Abfertigung, ein Hinausschieben oder überhaupt die Verhinderung der Kündigung – zu verhandeln. Auch bei der Entlassung muss der BR unverzüglich informiert werden und kann innerhalb von 3 Tagen eine Beratung verlangen. Der BR kann außerdem Kündigungen oder Entlassungen beim Arbeits- und Sozialgericht anfechten. Ohne BR entfällt die Benachrichtigungs- und Beratungspflicht.

 

Betriebsrat wirkt!

Diese kurze Auflistung betriebsrätlicher Kompetenzen zeigt bereits: ohne BR fallen ArbeitnehmerInnen um viele Rechte um – und seien es auch nur Informationsrechte. Der BR spielt eine wichtige Rolle, um arbeits- und sozialrechtliche Regelungen tatsächlich wirksam werden zu lassen. Denn er kann, ohne Sanktionen befürchten zu müssen, die Interessen der Beschäftigten wahrnehmen:

  • BetriebsrätInnen genießen Kündigungsschutz
  • Und der Betrieb muss ihnen die für ihre BR-Tätigkeit notwendige Zeit einräumen, die als Arbeitszeit gilt.

Eine Studie der Arbeiterkammer Österreich zeigt, dass ArbeitnehmerInnen in Betrieben mit BR zufriedener sind. Aus gutem Grund: Beschäftigte, die durch einen Betriebsrat vertreten werden, verdienen mehr und haben bessere Arbeitszeiten.

Einige Zahlen: Beschäftigte in Betrieben mit BR verdienen um € 57 mehr, als in Betrieben ohne BR. Auch die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen und zwischen Wenig- und GutverdienerInnen sind in solchen Betrieben deutlich geringer. Zwischen Männern und Frauen reduziert sich der Einkommensunterschied von € 411/Monat (ohne BR) auf € 378/Monat (mit BR), zwischen HilfsarbeiterInnen und MaturantInnen von € 583 (ohne BR) auf € 470 (mit BR) monatlich (verglichen wurden Betriebe zwischen 20 und 99 Beschäftigten, also typisch österreichische Mittelbetriebe).

Das Vorhandensein eines BR verringert auch die Fluktuation der Belegeschaft. Mehr als ein Viertel der Beschäftigten in Betrieben mit BR, aber nicht einmal ein Fünftel der in Betrieben ohne BR ist bereits länger als zehn Jahre im aktuellen Betrieb beschäftigt.  In Unternehmen mit BR fürchten 14 Prozent, in Betrieben ohne BR 17 Prozent um ihren Job.

Ein Betriebsrat bringts also.
Wie stark ein Betriebsrat tatsächlich ist, hängt allerdings auch davon ab, wie sehr die Belegschaft hinter ihm steht.

Und das hängt davon ab,
wie kollegial und solidarisch er sich engagiert,
wie er die Belegschafts-KollegInnen informiert
und wie offen er für deren Anliegen ist.

 

Willi Pöll war viele Jahre Betriebsrat im AMS Wien, Mitglied des Zentralbetriebsrats des AMS Österreich und AUGE/UG Arbeiterkammerrat in Wien